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Haftungsbeschränkung und Kostenbescheide in der Binnenschifffahrt

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Eine nachträglich eingetretene Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff BinSchG berührt nicht die Rechtmäßigkeit eines ordnungsrechtlichen Kostenbescheides, sondern wirkt sich nur auf seine Realisierbarkeit bzw. Vollstreckbarkeit aus.

Eine Gewässerverunreinigung ist kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG. Die Forderung von Kosten für den Einsatz der Feuerwehr zum Zweck der Abwendung einer solchen Verunreinigung unterliegen deshalb nicht der Haftungsbeschränkung nach § 4 BinSchG.

Kostenbescheid trotz binnenschafffahrtsrechtlichem Verteilungsverfahren

Die Revision ist nicht schon deshalb begründet, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht hätte entscheiden dürfen, sondern das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren hätte abwarten müssen. Die Eröffnung dieses Verfahrens hat das Klageverfahren entgegen der Auffassung der Klägerin nicht unterbrochen.

Nach § 8 Abs. 3 SVertO werden Rechtsstreitigkeiten wegen der in Absatz 1 näher bezeichneten Ansprüche, die bei der Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens anhängig sind, mit dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses unterbrochen, bis sie nach § 19 SVertO aufgenommen werden oder bis das Verteilungsverfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 41 SVertO ist die Vorschrift des § 8 SVertO auf die Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der in § 8 Abs. 1 Nr. 2 SVertO bezeichneten Ansprüche die Ansprüche treten, die der Haftungsbeschränkung nach den §§ 4 bis 5m BinSchG unterliegen. Diese Voraussetzungen sind zwar in zeitlicher Hinsicht erfüllt, denn das binnenschifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren wurde erst nach Anhängigkeit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten eröffnet. Eine Unterbrechung der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten ist dadurch gleichwohl nicht eingetreten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Rechtsstreit wegen eines Anspruchs aus der Verwendung des Schiffes trotz Eröffnung des seerechtlichen Verteilungsverfahrens fortgesetzt werden, soweit der Gläubiger die unbeschränkte Haftung des Schuldners behauptet und daher den Anspruch außerhalb des Verteilungsverfahrens weiterverfolgen will. Eine vergleichbare Konstellation liegt auch hier vor. Die Beklagten haben ihre Forderungen im binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahren nur vorsorglich angemeldet. Sie sind nämlich der Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 4 BinSchG hinsichtlich dieser Forderungen nicht vorliegen und die Klägerin deshalb insoweit unbeschränkt haftet. Aufgrund dessen stellten sie die angefochtenen Gebührenbescheide auch nicht unter den Vorbehalt einer Haftungsbeschränkung und haben sie im gerichtlichen Verfahren uneingeschränkt weiterverfolgt.

Ordnungsrechtlicher Kostenbescheid und binnenschifffahrtsrechtliche Haftungsbeschränkung

Die angefochtenen Kostenbescheide können auch mit Blick auf die geltend gemachte Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. BinSchG nicht ganz oder teilweise rechtwidrig geworden sein.

Die angefochtenen Bescheide wurden vor der mit Beschluss vom 11.12.2007 erfolgten Eröffnung des binnenschifffahrtsrechtlichen Verteilungsverfahrens und der dadurch gemäß § 8 Abs. 1, § 41 SVertO, § 5 d Abs. 2 BinSchG bewirkten Haftungsbeschränkung nach §§ 4 ff. BinSchG erlassen. Eine solche nachträglich eingetretene Haftungsbeschränkung berührt nicht die Rechtmäßigkeit der Bescheide. Dies ergibt sich aus einem Vergleich mit dem Insolvenzrecht. Wird über das Vermögen eines Abgabenschuldners das Insolvenzverfahren eröffnet, darf dieser nach der Eröffnung grundsätzlich nicht mehr durch Abgabenbescheid zur Leistung der Abgabe verpflichtet werden, wogegen Gebührenbescheide die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlassen werden, nicht nachträglich rechtswidrig, sondern nur in ihrer Vollziehbarkeit eingeschränkt werden.

Diese Grundsätze können auf das schifffahrtsrechtliche Verteilungsverfahren übertragen werden, da dieses mit dem Insolvenzverfahren vergleichbar ist. Die Übereinstimmung der Verfahrensgrundsätze findet ihre Ausprägung auch in § 8 Abs. 4 Satz 1 SVertO. Nach dieser Bestimmung ist die Zwangsvollstreckung wegen der in Absatz 1 der Vorschrift genannten Ansprüche nach der Eröffnung des Verteilungsverfahrens unzulässig, bis das Verfahren aufgehoben oder eingestellt wird. Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 SVertO ist die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung im Wege der Klage bei dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs geltend zu machen. Übertragen auf die Festsetzung von Gebühren und Kosten folgt hieraus, dass ein bereits vor Eröffnung des Verteilungsverfahrens durch Bescheid herangezogener Schuldner mit Bezug auf eine geltend gemachte Haftungsbeschränkung nicht die Aufhebung des Bescheids nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, sondern nur die Feststellung seiner Nichtvollziehbarkeit verlangen kann. Auf eine solche Feststellung der Nichtvollziehbarkeit liefe es auch hinaus, wenn die von der Klägerin hilfsweise beantragte Feststellung des Bestehens einer Haftungsbeschränkung ausgesprochen würde.

Keine Haftungsbeschränkung für Kostenschuldner

Die Haftung für die Gebührenforderungen ist nicht nach § 4 BinSchG beschränkt.

Nach § 4 Abs. 1 BinSchG kann der Schiffseigner seine Haftung für Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden, die an Bord oder in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Betrieb des Schiffes oder mit einer Bergung einschließlich einer Wrackbeseitigung eingetreten sind, sowie für Ansprüche aus Wrackbeseitigung beschränken, es sei denn, das Schiff wird zum Sport oder zur Erholung und nicht des Erwerbes wegen verwendet. Die Ansprüche unterliegen der Haftungsbeschränkung unabhängig davon, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden

  1. solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen,
  2. solche wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck und
  3. sonstige Vermögensschäden wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte.

Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden ferner Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Die Kostenforderungen sind keine Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden, und zwar weder im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG noch im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG. Sie sind deshalb von vornherein nicht von der Haftungsbeschränkung des § 4 BinSchG erfasst. Auf die von dem Berufungsgericht bejahte Frage eines Ausschlusses der Haftungsbeschränkung nach § 5 Nr. 4 BinSchG kommt es deshalb nicht an.

Ein Anspruch „wegen Personen- und Sachschäden“ setzt von seinem Wortlaut her nicht voraus, dass der Anspruch auf Ersatz eines eingetretenen Schadens gerichtet ist. Vielmehr reicht es aus, wenn ein Kausalverhältnis zwischen einem eingetretenen oder drohenden Schaden und einem hieraus entstandenen, also damit kausal verknüpften Anspruch besteht. Der Begriff „wegen“ lässt darüber hinaus auch eine im Sinne einer Vermeidungsabsicht intentionale oder finale Verknüpfung zu, so dass beispielsweise auch ein Anspruch auf Aufwendungsersatz zur Verhütung eines drohenden Schadens unter den Begriff „Anspruch wegen Personen- und Sachschäden“ subsumiert werden kann. Mit dieser weiten Auslegung stimmt es überein, dass die Ansprüche nach § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG unabhängig davon der Haftungsbeschränkung unterliegen, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob sie privatrechtlicher oder öffentlichrechtlicher Natur sind und ob sie auf Grund eines Vertrages oder sonstwie als Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche geltend gemacht werden. Ansprüche „wegen“ Personen- und Sachschäden sind demnach nicht nur Schadensersatz, sondern auch Rückgriffs- oder Entschädigungsansprüche. Diese Auslegung wird durch die Vorschrift des § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG bestätigt, wonach Ansprüche wegen Sachschäden auch Ansprüche einer anderen Person als des Schuldners wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von Personen- oder Sachschäden sind, für die der Schuldner seine Haftung beschränken kann. Aufgrund der weiten Auslegung des Begriffs „Ansprüche wegen Personen- und Sachschäden“ und der Bestimmungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 BinSchG ist es mithin durchaus möglich, auch Aufwendungsersatzansprüche wegen eines Feuerwehreinsatzes unter § 4 BinSchG zu subsumieren. Allerdings müssen solche Ansprüche in einem wie auch immer gearteten Zusammenhang mit einem eingetretenen oder drohenden Personen- oder Sachschaden stehen.

Bei § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG ergibt sich die Notwendigkeit eines solchen Zusammenhangs mit einem Personen- oder Sachschaden aus dem systematischen Zusammenhang mit § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG und dem Willen des Gesetzgebers. Durch die Einbeziehung der Rückgriffs- und Entschädigungsansprüche soll der Schiffseigner davor geschützt werden, dass Gläubiger die Haftungsbeschränkung dadurch unterlaufen, dass sie einen anderen Haftpflichtigen, der seine Haftung nicht beschränken kann, in Anspruch nehmen, der dann seinerseits unbeschränkt Regress nimmt. Ein solches Unterlaufen der Haftungsbeschränkung ist indes nur möglich, wenn die Voraussetzungen für ihr Eingreifen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG gegeben sind. § 4 Abs. 1 Satz 2 BinSchG knüpft damit an einen Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG an und stellt nur klar, dass „Ansprüche wegen Personen- oder Sachschäden“ nicht nur solche auf Ersatz solcher Schäden darstellen, sondern auch solche, die in anderer Weise mit solchen Schäden zusammenhängen. Noch deutlicher ist dieser Zusammenhang bei § 4 Abs. 3 Satz 2 BinSchG. Ansprüche wegen Sachschäden sind danach auch Ansprüche wegen Maßnahmen zur Abwendung oder Verringerung von „Personen- oder Sachschäden“. Kostenersatzansprüche unterfallen danach nur dann der Haftungsbeschränkung des § 4 Abs. 1 BinSchG, wenn die ihnen zugrundeliegende Maßnahme durch eine Abwendungs- oder Verringerungsabsicht mit einem Personen- oder Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 2 und 3 BinSchG in einen abwendungsintentionalen Zusammenhang gebracht werden kann.

Die hier streitgegenständlichen Kostenforderungen stehen in keinem solchen Zusammenhang. Der Verwaltungsgerichtshof hat in der Vorinstanz mit für das Bundesverwaltungsgericht bindender Wirkung festgestellt, dass die Feuerwehren der beklagten Städte tätig geworden sind, weil Xylol aus dem Schiff bzw. aus dem an das Schiff angeschlossenen, bereits im Hafenbecken hängenden Ladearm in das Hafenbecken zu fließen drohte. Es ging damit um die Abwendung eines Umweltschadens in Gestalt einer Gewässerverschmutzung. Eine Explosion- oder Brandgefahr wurde von den Einsatzkräften, wie sich aus der von dem Verwaltungsgerichtshof weiter in Bezug genommenen Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 31.07.2008 ergibt, nur insoweit in den Blick genommen, als sie als Folge der Maßnahmen zur Abwendung der Gewässerverschmutzung hätte entstehen können, In dem von § 4 Abs. 1 Satz 1 BinSchG geforderten unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb stand deshalb nur die direkt als Folge des Unfalls eingetretene Gewässergefahr. Eine Gewässerverschmutzung stellt indes keinen (drohenden) Schaden im Sinne des § 4 BinSchG dar. Sie ist ersichtlich kein Personenschaden nach § 4 Abs. 2 BinSchG und erfüllt auch nicht die Merkmale eines Sachschadens gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 BinSchG. Nach § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BinSchG sind Ansprüche wegen Sachschäden solche wegen des Verlusts oder der Beschädigung von Sachen. Der Zweck des Einsatzes lag nicht darin, einen drohenden Verlust des Transportguts Xylol und den damit verbundenen Schaden abzuwenden, sondern – wie dargelegt – die durch das Auslaufen dieses Stoffes drohende Gewässerverschmutzung zu verhindern. In einer solchen Verschmutzung hätte auch keine Beschädigung des Wassers im Hafenbecken gelegen. Dieses Wasser stellt keine Sache dar. Der Sachbegriff in § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BinSchG entspricht dem des § 90 BGB und umfasst sämtliche körperliche Gegenstände ungeachtet des Aggregatzustands. Nach § 90 BGB sind Sachen nur körperliche Gegenstände. Körperliche Gegenstände müssen im Raum abgrenzbar sein; dies trifft für Allgemeingüter wie freie Luft und fließendes Wasser nicht zu. Eine (eigentumsfähige) Sache stellt nur geschöpftes oder in sonstiger Form abgegrenztes Wasser dar. Bei dem hier in Rede stehenden Wasser im Hafenbecken von Gernsheim handelt es sich aber nicht um solchermaßen abgegrenztes Wasser. Das Wasser im Hafenbecken ist mit dem Rhein verbunden und damit Bestandteil eines fließenden Gewässers. Die drohende Verunreinigung dieses Gewässers war deshalb keine drohende Beschädigung einer Sache.

Die drohende Gewässerverunreinigung ist auch kein Sachschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BinSchG. Danach sind Ansprüche wegen Sachschäden auch solche wegen der Verspätung bei der Beförderung von Gütern, Reisenden oder deren Gepäck. Der Unfall mag auch dazu geführt haben, dass es bei der seitens der Klägerin geschuldeten Transportleistung im Verhältnis zu ihren Vertragspartnern zu einer verspäteten Anlieferung des Transportguts kam. Auch mit diesem Schaden ist aber der abgerechnete Feuerwehreinsatz weder kausal noch durch eine Abwendungsintention verknüpft. Der Einsatz beruhte nicht auf einem solchen Schaden und diente nicht seiner Abwendung, sondern – wie dargelegt – dem Gewässerschutz.

Die Annahme eines sonstigen Vermögensschadens wegen der Verletzung nichtvertraglicher Rechte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BinSchG scheidet ebenfalls aus.

Die Vorschrift erfasst Fälle der Verletzung von absoluten Rechten, wenn diese nur zu einem Vermögensschaden führen. Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor. Die Klägerin hat keine nichtvertraglichen Rechte der Behörde verletzt. Aus diesem Grunde liegt ein (abgewendeter) Vermögensschaden im Sinne des § 4 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BinSchG auch nicht in den Kosten, die im Falle eines Auslaufens des Xylols durch seine erforderliche Beseitigung und Eindämmung verursacht worden wären.

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. November 2011 – 6 C 6.11


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